Anna Hoffmann Business Consulting und Facilitation

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22 Februar, 2018

Zukunftsforscherische Unternehmen

Zukunftsforscherische Unternehmen sind Organisationen, die sie sich von einem selbstentwickelten, positiven Zukunftsbild leiten lassen, aus diesem Zukunftsbild Handlungsaufträge für das eigene Unternehmen ableiten und ihre gesamte Organisation konsequent auf die Umsetzung dieser Handlungsaufträge ausrichten.
Friederike Müller-Friemauth, Professorin am Forschungszentrum für technologie- und Innovationsmanagement, hat Antworten darauf gefunden, wie Organisationen in einer Welt des ständigen Wandels Stabilität und langfristige Tragfähigkeit finden können:
„Radikales Zukunfts- und Changemanagement bedeutet, dass man selbst zum Gestalter wird, der Ereignisse schafft. […] Solche Unternehmen beginnen eine eigene Evolution.“ (1)


Die Herausforderungen unserer Zeit sind zusammengefasst in dem Begriff VUKA-Welt: Volatilität (= häufige, schnell umzusetzende Veränderungen), Unsicherheit (=abnehmendes Maß an Vorhersagbarkeit von Ereignissen), Komplexität (= steigende Anzahl von unterschiedlichen Verknüpfungen und Abhängigkeiten) und Ambiguität (= Mehrdeutigkeit der Faktenlage). Um sich von diesen äußeren Ereignissen unabhängig zu machen, sollten Unternehmen eine eigene Definition einer wünschenswerten Zukunft entwickeln und sich dann fragen, was ihre Organisation zu dieser lebenswerten Zukunft beitragen kann.


„Intelligenz heißt, die richtigen Antworten zu geben. Wichtiger aber ist es, die richtigen Fragen zu stellen. Dass verlangt eine unterschätze Kraft: Kreativität.“(2) Für den Neurowissenschaftler Henning Beck sind Pioniere und Wegbereiter nicht nur intelligent, sie müssen auch neugierig, furchtlos, bereit zu Fehlern, adaptiv und kreativ sein: Denn nur wer verrückte Ideen zulassen kann, kann neue Welten erobern.


„In Zukunftsforscherische Unternehmen geht es primär um die Macht einer Idee.“(3) Diese Zukunftsidee wird in einem MTP festgehalten, dem Massive Transformative Purpose – einer anspruchsvollen, gesellschaftlich transformierenden Zweckbestimmung als Orientierungspunkt: Worin liegt der Sinn unseres Handelns? Der MTP löst das klassische Leitbild ab, denn MTPs sind so robust und flexibel, dass sie auch unter VUKA Bedingungen stark motivieren und begeistern.


Zukunftsforscherische Unternehmen sind als Netzwerk organisiert und funktionieren durch Selbstorganisation und Autonomie. Die Führung ermöglicht allen Mitarbeitenden die besten Bedingungen für eigenes Denken, Entscheiden und Handeln sowie persönliches Wachstum. Dadurch können Mitarbeitende auf eine bislang unbekannte, innovative und effektive Weise zum MTP beitragen.
Als Orientierung für die unternehmerische Entwicklung dienen OIEs (Orthogonal Information Effects – die Beachtung scheinbar peripherer Daten [siehe Taleb]) und ermittelte Veränderungslogiken in der eigenen Branche, dem allgemeinen Umfeld und aus den Rändern fremder Märkte. Dadurch werden zukunftsforscherische Unternehmen selbst zu Trendsettern.

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1 „Führen im Futur II“, Friederike Müller-Friemauth, managerSeminare 3/2018, S.23
2 „Mut zum Fehler“, Hennig Beck, Spiegel Wissen 4/2017, S.107
3 „Führen im Futur II“, Friederike Müller-Friemauth, managerSeminare 3/2018, S.24

17 Dezember, 2016

Mehr Performance durch wertschätzende Führung

Auch schwierige Gespräche profitieren enorm davon, wenn die Gesprächssituation den Raum dafür eröffnet, dass der Mensch hinter seiner Funktion sichtbar wird. Denn nur wenn die menschlichen Aspekte in der Kommunikation ausreichend adressiert werden, ist es möglich, den Sinn und Zweck für spezifisches Verhalten von Mitarbeitenden erkennen und entsprechend behandeln zu können. Hinter jeder Handlung steckt eine innere Haltung und eine unausgesprochene Motivation, die auf den Tisch kommen sollten, um langfristige Verbesserung realisieren zu können, die von den Mitarbeitenden wirklich mitgetragen werden.

Leitgedanken
für Mitarbeitergespräche im Rahmen der „Wertschätzenden Führung“:

  • Bemühen Sie sich um einen echten Dialog, führen Sie kein Verhör durch.
  • Gehen Sie mit einer Haltung von Wohlwollen und Wertschätzung in das Gespräch. Ihre innere Einstellung zu Ihrem Gegenüber drückt sich durch jede Form der nonverbalen Kommunikation aus. Es ist sehr kontraproduktiv, wenn Sie freundlich reden, aber unfreundliche Gedanken haben.
  • Eröffnen Sie einen Gesprächsraum, bei dem Ihr Gesprächspartner eigene Erfahrungen mitteilen und einbringen kann. Seien Sie neugierig auf die Sichtweise Ihres Gesprächspartners.
  • Nehmen Sie eine Gesprächsrolle ein, die aufrichtiges Interesse vermittelt. Am einfachsten ist es, Bedenken statt durch ein „aber“ durch ein „und“ zu ersetzen. Steigen Sie tiefer in die Thematik ein, bevor Sie in eine Wertung oder Beurteilung gehen.
  • Auch durch Schweigen zeigen Sie Aufmerksamkeit, wenn die Körpersprache Ungewandtheit und fokussiertes Zuhören signalisiert.
  • Wenn Sie etwas nicht verstehen, bitten Sie um Details oder ergänzenden Informationen.
  • Stellen Sie vertiefende Fragen, um die Motivation Ihres Gegenübers zu verstehen.
  • Versuchen Sie die Perspektive Ihres Gesprächspartners nachzuvollziehen.
  • Machen Sie bei vermehrten Fragen den Hintergrund der Frage transparent, um so Ängste und Befürchtungen bei Ihrem Gegenüber zu minimieren:
    Welche Absicht steckt hinter Ihren Fragen?

Welchen Zweck verfolgen Sie damit?
Welche Entscheidung wird eventuell durch die Antwort beeinflusst?

  • Nutzen Sie Geschichten als Einstieg, um schwierige Gespräche zu beginnen. Das kann auch eine persönliche Geschichte sein, um mehr Vertrauen zu schaffen und ehrliche Unterstützung zu signalisieren.
  • Erzählen Sie von positiven Erfahrungen oder Best-Practice Beispielen, wenn Sie keine direkten Ratschläge geben wollen. 
  • Sprechen Sie gut über Dritte im Unternehmen, lassen Sie die anderen gut aussehen. Das entlastet die Atmosphäre.

Weiterführende Literatur: Gregor Adamcyk „Storytelling“, 2. Auflage 2015, S. 112, Haufe Verlag Freiburg

22 Oktober, 2016

Wertschöpfung durch Lernen aus Erfolg

Francesca  Gino und Gary Pisano postulieren, dass überraschenderweise gerade Erfolg eine  Ursache für späteren Misserfolg von Unternehmen sein kann.1  Die Fähigkeit, aus Fehlern  zu lernen, wird allgemein als ein wichtiger Faktor für die organisationale  Weiterentwicklung gesehen. Doch die Fähigkeit, aus Erfolg zu lernen, kann eine  noch bedeutendere Herausforderung für das langfristige Wachstum des Unternehmens  darstellen.

Erfolg  verleitet dazu, sich vermehrt auf das Gewinnen statt auf das Lernen zu  fokussieren. Vorliegende Informationen und Daten werden im Fall des Misserfolgs  ausgewertet, um festzustellen, was falsch gelaufen ist. Im Erfolgsfall werden selten  Analysen durchgeführt, um die Gründe für den Sieg genauer zu bestimmen. Dadurch  bleiben elementare Quellen der Wertschöpfung ungenutzt, denn durch die Analyse  des eigenen Erfolgs können wertvolle  und  in der Regel leicht umsetzbare Erkenntnisse für zukünftige Erfolge gewonnen  werden.

Folgende Faktoren  erschweren nach Gino und Pisano das Lernen aus Erfolg:

  • Fundamentale Zuschreibungsfehler  (fundamental attribution errors):
    Im Erfolgsfall wird der Erfolg den eigenen Einsichten, Strategien, Talenten,  Managementfähigkeiten und aktuellen Modellen zugeschrieben. Der nicht  unerhebliche Einfluss von hilfreichen Zufällen oder positiven Umweltbedingungen  wird zu wenig beachtet. Erfolg kann deshalb blind machen für Schwächen und  Probleme in der aktuellen Strategie oder der Unternehmenskultur.
    Umgekehrt wird bei der Analyse der Erfolgsfaktoren der Konkurrenz die Bedeutung  von Management und Strategien heruntergespielt, während externen Faktoren wie  Glück oder günstigen Umständen viel Gewicht beigemessen wird. In der Forschung  ist das als klassisches menschliches Verhalten nachgewiesen.
    Generell fällt es den meisten Menschen schwer, die Relevanz von  Rahmenbedingungen für den Erfolg oder Misserfolg einer Sache richtig  einzuschätzen. Erfolg in einem leichten Umfeld erscheint oft beeindruckender  als das Überleben in einem schwierigen Umfeld, obwohl das Überleben in einem  Krisensektor vielleicht mehr Fähigkeiten und Talent erfordert.
  • Wahrnehmungsverzerrung durch zu viel  Selbstvertrauen (overconfidence bias):
    Durch den Erfolg steigt die Selbstsicherheit. Deshalb kann Erfolg dazu verleiten, der eigenen Urteilskraft zu viel  Bedeutung beizumessen. Fehler in den eigenen Entscheidungen werden dann nicht  wahrgenommen. Auch wenn der Glaube an sich selbst viele gute Seiten hat, kann  ein Zuviel an Selbstvertrauen jede Form von Veränderung  unnötig erscheinen lassen.
    Denn dadurch kann sich eine gefährliche Tendenz entwickeln, kritische Stimmen  oder schlechte Nachrichten zu ignorieren. Die Folgen sind übersehene Chancen  für Innovationen, wachsende Qualitätsprobleme, absinkende Kundenzufriedenheit,  eine zu hohe Risikobereitschaft und eine Ignoranz gegenüber wichtigen  Marktveränderungen.
  • Versäumnis, nach den Ursachen zu forschen  (failure-to-ask-why syndrom):
    Im Erfolgsfall besteht die Tendenz, die Gründe für eine gute Performance nicht  systematisch durch eine ausreichende Reflexion zu untersuchen. Man geht davon  aus, das alles benötigte Wissen und relevanten Informationen zur Verfügung  stehen. Das kann sowohl in Teams als auch in der Führungseben dazu führen, das  wichtige oder heikle Fragen nicht gestellt werden. Falsche Annahmen über die  Ursachen von Erfolg werden so nicht revidiert werden.


Lösungsmöglichkeiten zum  gezielten Lernen aus Erfolg bestehen in der geplanten und systematischen  Reflexion von abgeschlossenen Projekten. Im US-Militär wird dazu das Format  "After-Action Reviews" (AARs) eingesetzt. In dem Format werden vier  grundlegende Fragen gestellt: Was hatten wir geplant? Was ist tatsächlich  passiert? Warum ist es passiert? Was lernen wir für die Zukunft?
Auch bei der Beurteilung  einzelner Mitarbeiter ist es wichtig, nicht nur schlechte Performance genauer  zu analysieren. Die Ursachen für erfolgreiche oder exzellente Performance zu  untersuchen, kann wichtige Lektionen für andere Mitarbeiter zu Tage treten  lassen.
Die innovative  Filmschmiede Pixar, ein potentieller Kandidat für „Nicht-Lernen wegen  konstantem Erfolg“, führt mit den Postmortems konsequent Rückblicke der  abgelaufenen Prozesse durch. Dabei werden an das Team Reflexionsfragen gestellt  wie: "Was sind die wichtigsten fünf Punkte, die Sie auf alle Fälle wieder so  machen würden?" und "Welche fünf Punkte würden Sie auf keinen Fall  wiederholen?" Ergänzend werden über  alle Aspekte der Produktion Daten gesammelt, die dazu genutzt werden,  persönliche Einschätzungen über organisationale Herausforderungen abzugleichen  und Diskussionen anzuregen. Zusätzlich werden Reviews auf der Metaebene  abgehalten, in denen über den Ablauf von mehreren Produktionen reflektiert  wird. Diese Reviews werden nach Möglichkeiten von jemandem geleitet, der die  Perspektive eines Außenstehenden einbringt.


    1 Gino, Francesca  und Pisano, Gary (2011): "Why leaders don`t learn from success", in "Harvard  Business Review", 4/2011

22 Oktober, 2016

Wertschöpfung aus Störungen und Problemen

Amy Edmondson und Anita Tucker haben in der Studie „Why Hospitals don`t learn from failures“1 die Voraussetzungen für Wertschöpfung durch Organisationales Lernen in amerikanischen Kliniken untersucht. Ihre Ergebnisse sind auf andere Dienstleistungsunternehmen übertragbar, die ebenfalls unter hohem Zeit- und Kostendruck exzellente Ergebnisse für ihre Kunden liefern müssen. 
In den Kliniken wurde in der Vergangenheit die Arbeitsleistung einzelner Ärzte und Schwestern als Garantie für einen hohen Qualitätsstandard gesehen. Zunehmend rückt jedoch die systematische Verbesserung der Gesamtorganisation, der Unternehmenskultur, der Strukturen und Arbeitsprozesse in den Vordergrund, um Mängel in der Versorgung der Patienten zu beheben. Nicht die Performanceleistung einzelner, sondern die Performance der gesamten Organisation gewährleistet langfristig einen optimalen Qualitätsstandard und hohe Kundenzufriedenheit.
Die Fähigkeit zum Lernen aus Fehlern und Problemen stellt einen fundamentalen Baustein für das Qualitäts- und Wissensmanagement dar.  Dabei wurde in der Studie von Edmondson und Tucker deutlich, dass nicht Fehler, sondern wiederkehrende Probleme und Störungen in den Arbeitsabläufen eine besonders gewinnbringende Quelle für nachhaltige Optimierungen in den Prozessabläufen darstellen.
Fehler wurden in dem Zusammenhang als falsch oder unnötig ausgeführte Aufgaben definiert, die durch bessere Informationsflüsse hätten vermieden werden können. Probleme werden von Edmondson und Tucker als eine Störung in den aktuellen Arbeitsprozessen verstanden, die die Ausführung einer anstehenden Tätigkeit verhindern. Probleme sind deshalb besonders gute Ressourcen für Qualitätssteigerung und Prozessoptimierung, weil Mitarbeitende Probleme bewusst wahrnehmen und rückmelden können, während sie sich über gemachte Fehler oft im Unklaren sind.
Die Mitarbeiter der von Edmondson und Tucker untersuchten Kliniken hatten die Befugnis, akute Probleme nach eigenem Ermessen zu lösen. Eigenständiges, selbstverantwortliches Handeln war ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsplatzdefinition. Doch das Verhindern von Fehler und die Reduktion von Problemen erfordern den Einsatz der leitenden Ebene.
Fehlendes organisationales Lernen führt dazu, dass dieselben Probleme immer wieder auftauchen, und stets von neuem gelöst werden müssen. Das situative Lösen der anfallenden Probleme durch einzelne Akteure funktioniert nur auf den ersten Blick gut. Langfristig führt es gerade bei den engagierten und besonders fähigen Mitarbeitern zu Frustration, Demotivation und Burnout, denn das beständige Beseitigen wiederkehrender Problemlagen kostet viel Zeit und Kraft.
Durch die Erschöpfung sinkt die Bereitschaft, beobachtete Probleme an die höhere Managementeben weiterzuleiten, wodurch die Chance auf nachhaltige organisationale Lernschritte und langfristige Lösungsstrategien vertan wird. So bleibt die Quote der latenten Fehler und Problemlagen bestehen und die Organisation verliert in der Gesamtsumme beständig Zeit, Kraft, Engagement und Qualität.
Um langfristige Veränderung zu initiieren, müssen Interventionen auf der Managementebene erfolgen. Edmondson und Tucker nennen die Stufe des organisationalen Lernen „second-order problem solving“ im Gegensatz zum „first-order problem solving“, in der die Problemlösung nur als singuläres Ereignis auftritt.
Edmondson und Tucker halten für ein „second-order problem solving“ folgende organisationale Maßnahmen für notwendig:

  1. Leitende Mitarbeiter sollten zeitnah für Rückmeldungen zugänglich sein: Persönliche Präsenz erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Rückmeldung über gelöste Probleme an die leitende Ebene. Mögliche oder nötige Verbesserungen in den Arbeitsprozessen können so identifiziert und umgesetzt werden.
  2. Die Mitwirkung der leitenden Mitarbeiter reduziert den Zeiteinsatz der Mitarbeitenden bei der Beseitigung von Störungen und führt zur schnelleren Wiederherstellung der nötigen Performance.
  3. Das Lösen der Problemlagen auf einer Metaebene dient als Rollenvorbild für die Mitarbeitenden und erzieht zu dem gewünschten Mindset, identifizierter Problemlagen an der Wurzel zu beheben.
  4. Damit organisationales Lernen auf der Metaebene möglich ist, dürfen Mitarbeitende keine Angst davor haben, für das Melden von Fehlern oder Problemen persönlich herabgesetzt oder bestraft zu werden. Das Management kann entscheidend dazu beitragen, dass Mitarbeiter das Risiko auf sich nehmen, Störungen an die vorgesetzt Eben weiter zu melden, indem sie Mitarbeitenden aktiv einladen, ihre Bedenken zu äußern. Ein extra warmherziges und freundliches Auftreten ist nicht explizit notwendig.
  5. Um der persönlichen Fehlbarkeit den Schrecken zu nehmen, sollten auch Vorgesetzte eigene Fehler zugeben können und mit gutem Beispiel vorangehen. Dadurch kann eine Arbeitsatmosphäre entstehen, in der Mitarbeiter sich sicher und wertgeschätzt fühlen.
    (Etablierung eines „psychologically safe work environment“)
  6. Die leitende Ebene sollte auf gemeldete Störungen zeitnah reagieren, indem Verbesserungen initiiert werden, durch die die Anzahl der regelmäßig auftauchenden Probleme nachhaltig reduziert werden. Dafür kann eine bereichsübergreifendes Zusammenarbeit notwendig sein, die einzelne Mitarbeiter allein nicht leisten können.
  7. Positive Veränderungen motivieren andere Mitarbeitende dazu, zum organisationale Lernen im Rahmen eines „second-order problem solving“ beizutragen. Dadurch können neue Verhaltensweisen in die Unternehmenskultur etabliert werden. Umgekehrt, wenn Rückmeldungen von Störungen keine sichtbaren positiven Veränderungen zur Folge haben, werden auch engagierte Mitarbeitende in Zukunft keine Risiken und Mühen mehr auf sich nehmen, um Problemlagen zu melden.
  8. Auf der Managementeben muss sich das Bild des idealen Angestellten ändern, um organisationales Lernen mehr zu fördern. Folgendes Mitarbeiterverhalten sollte in der Unternehmenskultur explizit wertgeschätzt werden: Aktives Hinterfragen von Prozessen und Routinen, Rückmeldungen an die vorgesetzte Ebene über Störungen und Probleme, Hinweise auf Missstände in der Arbeitsumgebung, Eingestehen eigener Fehler, Suchen nach Optimierungsmöglichkeiten, auch wenn alles rund läuft.

Durch die genannten Maßnahmen entstehen zusätzliche Kosten durch das Freistellen von Mitarbeitenden zur Problemlösung auf der Metaebene, Zeiten für Gruppendiskussionen, die Implementierung von Verbesserungen sowie die Weiterentwicklung von Menschen und Arbeitsroutinen.
Analysen zeigen, dass diese Extrakosten durch die langfristige Reduktion von Fehlern und Problemen mehr als bezahlt machen. Neben dem Abbau von Systemfehlern und Ineffizienz wird auch die Burnout-Rate gerade der fähigen und engagierten Mitarbeiter nachhaltig abgesenkt. Zu den Zugewinnen des organisationalen Lernens gehören auch der Anstieg der Kundenzufriedenheit sowie der allgemeinen Arbeitsqualität.

Die genannten Bedingungen können auch für Teams optimale Voraussetzungen schaffen, um unter Zeit- und Kostendruck langfristig hohe Qualität zu leisten und optimale Projektergebnisse sicher zu stellen.


1 Edmondson, Amy und Tucker, Anita (2003): „Why Hospitals don`t learn from failures“, in „California Management Review“, Vol. 45, No.2, S. 55 - 72
16 September, 2016

Wertschöpfende Fähigkeiten für die nahe Zukunft

Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther orientiert sich in seiner Forschung an der Frage, welches Können in der Zukunft für die Gesellschaft relevant sein wird. Für ihn wird das Ansammeln und Erwerben von Wissen an sich in der Zukunft immer unbedeutender, weil durch die moderne Technik Wissen jederzeit verfügbar sein wird. In der Wissens- und Ideengesellschaft des 21. Jahrhunderts kann faktisches Wissen jederzeit abgerufen werden und muss nicht länger im Kopf zur Verfügung stehen.
Gebraucht werden wird dafür die Kompetenz, sich auf neue Herausforderungen einzulassen, unbekannte Probleme zu lösen (für die es keine Patentlösung von der Stange gibt) und die zu erwartende Vielfalt und Offenheit der Gesellschaft zu bewältigen.
Deshalb sind in der Zukunft bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten im Kontext des Lebenslangen Lernens gefragt:

  • Informationen müssen beurteilt und verstanden werden können:
  • Vorhandenes oder abgerufenes Wissen muss im beruflichen Alltag nutzbar gemacht werden können
  • Wissen muss angewendet werden können, das heißt in aktuellen Problemen zur praktischen Lösung verhelfen und dafür ggf. auch in andere Kontexte übertragen werden können
  • Aus bestehendem Wissen muss durch Verknüpfen mit neuen Erfahrungen und neuen Informationen neues Wissen generiert werden können

Die Fähigkeit zur angemessenen Beurteilung und zum ausreichenden Verständnis von Informationen ist schon jetzt oft dringend nötig, um der Informationsflut, die sich schon aus einer einzigen Internetsuche ergeben kann, nicht hilflos gegenüber zu stehen und das gefundene Wissen sinnvoll auswerten zu können. Genauso wichtig ist es, Meinungen und Gerüchte, die im Internet verbreitet werden, von Fakten und evaluierten Informationen unterscheiden zu können.
Um die intrinsische Motivation zum Mitdenken und Lernen zu wecken, sollten in Lernsituationen die Erkenntnisse der Neurobiologie stärker berücksichtigt werden. Nach dem aktuellen Stand der Forschung nach Hüther tragen folgende Voraussetzungen zu einer gehirngerechte Bildung bei:

  • Der Lerninhalt muss aus der subjektiven Sicht des Lernenden Sinn machen, er muss für ihn eine Bedeutung haben und für das persönliche Leben wichtig sein. Ob ein Außenstehender Lerninhalte für Wichtig erachtet, ist für den Lernerfolg irrelevant.
  • Der Lernprozess benötigt eine emotionale Beteiligung des Lernenden. Ohne emotionale Beteiligung werden Inhalte schlechter oder gar nicht verankert.
  • Die neu gewonnene Einsichten und Erfahrungen müssen im eigenen Alltag nützlich  und praktisch anwendbar sein. Der Mehrwert des Wissens muss für den Lernenden erkennbar sein. Der Lerninhalt muss einen konkreten Bezug zu seinem aktuellen Leben haben.
  • Durch den Erwerb von neuen Kenntnissen und Fähigkeiten müssen sich für den Lernenden klare Vorteile ergeben.

Eine wichtige Erkenntnis der Neurowissenschaften wird mit dem Begriff der Neuroplastizität bezeichnet. Damit ist die Fähigkeit des Gehirns gemeint, sich abhängig von den zu verarbeitenden Impulsen und Informationen immer wieder umzustrukturieren. „Lernen bedeutet langfristig die Änderung kortikaler Repräsentationen“.1 Die Lernfähigkeit des Gehirns bleibt lebenslang erhalten: „Weil das menschliche Hirn bis ins hohe Alter veränderbar ist, können auch ältere Mitbürger ihre Einstellungen und Haltungen noch verändern, wenn man ihnen die Möglichkeit bietet, tatsächlich neue Erfahrungen zu machen.“2

1 Spitzer,  Manfred (2006): „Lernen, Gehirnforschung und die Schule des Lebens“, Heidelberg

2 Hüther, Gerald (2016): „Mit Freude lernen ein Leben lang“, Göttingen

29 August, 2016

Gehirngerechtes Lernen und Lehren aus Sicht der Kognitionspsychologie und der pädagogischen Psychologie

Gerhardt Roth formuliert: „Wissen kann nicht übertragen werden; es muss im Gehirn jeden Lernenden neu geschaffen werden.“1 Diese Auffassung revidiert das klassische Modell der Informationsverarbeitung, indem Lernen nur „als Instruktion, als Verarbeitung und Abspeicherung des angebotenen Wissens aufgefasst“2 wird.
Folgende Faktoren sind aus der Sicht der neueren Kognitionspsychologie für den Erfolg der Wissensaneignung von Bedeutung:

  • die Motivation und Glaubhaftigkeit des Lehrenden
  • die kognitiven und emotionalen Gegebenheiten sowie die intrinsische Motivation des Lernenden
  • der Stand des Vorwissens, der die Fähigkeit zur sinnvollen neuronalen Anknüpfung der Lerninhalte bestimmt
  • der spezifische Lehr- und Lernkontext.

Die spürbare Motivation des Dozenten für das Thema sowie die glaubhafte Identifikation und Beherrschung des Stoffes beeinflussen die Bereitschaft des Schülers, neue Lerninhalte aufzunehmen. Engagierte und kompetente Lehrende fördern den Lernprozess maßgeblich: „Ein vom Fach begeisterte Lehrer, der gelegentlich lobt und vielleicht auch mal einen netten Blick für die Schüler übrig hat, bringt deren Belohnungssystem auf Trab.“3
Die innere Haltung von lehrenden oder anleitenden Menschen zu dem jeweiligen Lerninhalt ist also nicht beliebig, wie das alte Modell der Informationsverarbeitung nahe gelegt hat. Der persönliche Bezug der Lehrkraft zum Lernstoff spielt eine wichtige Rolle für den Lernerfolg. Interesse und Begeisterung sind nicht nur auf der Seite des Lernenden nötig: „Nur wer von seinem Fach wirklich begeistert ist, wird es auch unterrichten können. […] Begeisterung lässt sich nicht spielen, man muss selbst begeistert sein.“4
Lernen sollte als positive Anstrengung empfunden werden. Anregender, leichter Stress gilt als lernfördernd. Anforderungen auf geringem Niveau in kuscheliger Atmosphäre sind für das Lernen nachteilig. Auch  Lob sollte nur verdient ausgesprochen werden und transparenten Regeln folgen: Es muss zeitnah, spezifisch und für den Betreffenden klar nachvollziehbar sein, um eine positive Wirkung zu entfalten. Ehrliches Lob zu einer erbrachten Lernleistung erhöht zudem die Bereitschaft, nachfolgendes negatives Feedback anzunehmen.
Bernhard Rosemann und Sven Bielski betonen in dem Zusammenhang die Herstellung von internalen, variablen und kontrollierbaren Erfolgserlebnissen: Erfolg hängt nach dieser Definition vom persönlichen Engagement ab, ist auf eigene Anstrengungen zurückzuführen und kann selbst gesteuert werden. „Nur dann kann der Lernende selbst Einfluss nehmen und damit auch die Verantwortung für seine Erfolge und Misserfolge übernehmen.“5
Durch eine solche Erfolgsattribution steigt die Motivation zum Lernen sowohl im Erfolgs- wie auch im Misserfolgsfall. Der Glaube an die Selbstwirksamkeit zur Verbesserungen der eigenen Fähigkeiten wird erhöht. Die innere Haltung zum Lernen ist ein entscheidender Faktor: „Menschen, die gelernt haben, dass jede Anstrengung neue Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen lässt, schneiden in schwierigen Kursen deutlich besser ab.“6
Umgekehrt ist starker Stress, vor allem ausgelöst durch Versagensangst und Gefühle der Bedrohung, sehr hinderlich für den Lernerfolg. Diese Aussage trifft auch Spitzer: „Während akuter Stress […] zu verbesserten Lernleistungen führen kann, haben extrem starker und besonders chronischer Stress negative Auswirkungen auf das Gedächtnis.“7
Lernprozesse sollten mit der alltagsnahen Veranschaulichung der Lerninhalte beginnen, um die Vorstellungs- und Anschlussfähigkeit der Lernenden zu unterstützen. Eine ansprechende Lernumgebung, wertschätzende soziale Beziehungen und gute zeitliche Rahmenbedingungen tragen wesentlich dazu bei, Lerninhalte langfristig zu verankern.


1 Roth, Gerhard (2004): „Warum sind Lehren und Lernen so schwierig?“, in „Zeitschrift für Pädagogik“, 50, S. 496-506

2 Ebd.

3 Spitzer,  Manfred (2006): „Lernen, Gehirnforschung und die Schule des Lebens“, Heidelberg

4 Ebd.

5 Rosemann, Bernhard und Bielski, Sven (2001): „Einführung in die Pädagogische Psychologie“, Weinheim und Basel

6 Kolovos, Irene (2016): „Leichter lernen – Überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung“, in „Bild der Wissenschaft“, 2/2016, S. 52 – 57

7 Spitzer,  Manfred (2006): „Lernen, Gehirnforschung und die Schule des Lebens“, Heidelberg

13 Juli, 2016

Leichter und erfolgreicher lernen

Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther beschäftigt sich in seiner Forschung verstärkt mit der Frage, wie Lernen gelingen kann und welche Rahmenbedingungen Lernen möglich machen.
„Gelernt wird […] nur das, was einhergeht mit

  • Aktivierung der bewussten Wahrnehmung,
  • Fokussierung der Aufmerksamkeit und
  • Aktivierung der emotionalen Zentren in den tieferen Bereichen des Gehirns.“ 1

Er bietet für den Prozess des Lernens aus neurobiologischer Sicht folgende Definition an:
„Lernen ist ein aktiver Prozess, in dessen Verlauf es im Gehirn zur Bahnung und Stabilisierung von neuronalen Netzwerken und damit zur Verankerung und Erweiterung von Wissen, von Fähigkeiten und Fertigkeiten kommt.“ 2
Wichtige Eigenschaften für das Lebenslange Lernen sind nach Gerald Hüther die

  • Lust am Entdecken und Gestalten,
  • Teamfähigkeit,
  • Engagement,
  • Verantwortungsbereitschaft,
  • die Bereitschaft zur Aneignung von Metakompetenzen und
  • die Entwicklung einer positiven innerer Haltung zum Lernen.

„Haltungen und Erfahrungen werden im Frontalhirn verankert und bestimmen fortan alles, was Menschen denken, wie sich selbst einschätzen, welche Bewertungen sie vornehmen, auch worauf sie achten, was ihnen gleichgültig ist und worum sie sich kümmern.“ 3
Negative innere Haltungen zum Lernen verschlechtern die Fähigkeit zum Lernen, ebenso wie negative Erfahrung mit dem Lernen, etwa aus der Schulzeit, die individuellen Fähigkeiten zum Lernen verschlechtern. Deshalb ist es wünschenswert, dass Kinder und Erwachsene möglichst wenige schlechte Erfahrungen beim Lernen machen.
Eine Atmosphäre, die negative Erfahrungen begünstigt, ist geprägt von überhöhtem Leistungsdruck, einer einseitigen Ausrichtung an Effizienz und erzeugt Gefühle von Angst, Verunsicherung, Abwertung und Ohnmacht. Wer Menschen zum Lernen ermutigen und inspirieren möchte, sollte dafür Sorge tragen, dass stattdessen eine Kultur der Wertschätzung, der Anerkennung, des Vertrauens, der gemeinsamen Anstrengung, der Kreativität und der Offenheit vorherrscht.

1 Hüther, Gerald (2016): „Mit Freude lernen ein Leben lang“, Göttingen

2 Ebd.

3 Ebd.

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